Sei offen und ehrlich zu deinem Management
- Thought Leadership
- Von Seth Besmertnik
- Lesezeit: 5 Minuten
Immer wieder, über viele Jahre hinweg, setze ich mich mit einem Mitarbeitenden zusammen und stelle fest, dass er oder sie wirklich wichtige Infos nicht mit mir geteilt hat, obwohl sie tatsächlich etwas hätten bewirken können.
Warum passiert das?
Sie haben Angst vor Konsequenzen, in der Regel von ihren Vorgesetzten, weil sie eventuell das Falsche gesagt oder etwas Kritisches weitergegeben haben. Man stelle sich ein Unternehmen vor, in dem sich niemand traut, seinem Management seine wahren Gefühle mitzuteilen oder ehrliches Feedback zu geben. Man stelle sich ein Unternehmen vor, in dem großartige Ideen nie ausgesprochen werden, weil man Angst vor den Konsequenzen hat oder davor, verurteilt zu werden.
Leider ist das die Welt, in der die meisten von uns (und viele Unternehmen) leben.
Und was noch schlimmer ist: Die Angst ist in der Regel berechtigt.
Was passiert, wenn jemand das Management im Unternehmen kritisiert?
Anfang dieses Jahres hat jemand in einer internen, anonymen Umfrage etwas Kritisches über den Vorgesetzten geschrieben. Ich habe den Kommentar gelesen und wusste relativ sicher, auf wen er sich bezog. Ich wollte die Situation verbessern und teilte diesen Kommentar der Führungskraft mit, die für den gesamten Bereich zuständig ist. Ich meinte: „Wir sollten uns das ansehen. Es ist nicht gut, dass sich jemand so fühlt.“
Ein paar Wochen später erfuhr ich, dass diese Führungskraft anschließend zu der Mitarbeiterin ging, die den Kommentar geschrieben hatte, und wütend auf sie war. Er wollte wissen, warum sie so etwas in einer Umfrage geschrieben hatte. Sie wurde zurechtgewiesen. Zu seinem Pech war er mit seinem Verhalten bei uns im Unternehmen fehl am Platz.
Das ist klassisches Führungsverhalten der alten Schule. Jemand tut etwas „Falsches“: Jemand spricht offen, umgeht das Management, gibt ehrliches kritisches Feedback. Und dafür wird die Person bestraft. Die anderen kriegen das mit und merken, dass sie still bleiben und sich klein halten sollten. Und die Unternehmenskultur ist damit festgelegt: Schweige. Selbst bei einer anonymen Umfrage ist man nicht mehr sicher.
Diese Art von Verhalten ist das Gegenteil einer echten Unternehmenskultur, in der die Person im Mittelpunkt steht. Das ist auch unser Ziel bei Conductor. Dieses Fehlverhalten konnten wir nicht dulden. Wie sich herausstellte, waren die Probleme, die die Mitarbeiterin in der Umfrage ansprach, berechtigt. Viele andere empfanden das Gleiche. Daher wurde diese Führungskraft gebeten zu gehen. Wie er mit der Kritik umging, war inakzeptabel.
Aus dieser Geschichte kann man mehr als nur eines mitnehmen: Ich möchte sie nutzen, um eine Denkweise für Unternehmen zu formulieren, bei denen der Mensch im Mittelpunkt steht.
Ein besserer Weg: Aufbau einer Unternehmenskultur der offenen Kommunikation
Beginnen wir mit dem Folgenden. Wenn du als Führungskraft irgendeine Art von kritischem Feedback von einem deiner Teammitglieder bekommst, sei es direkt von deinen Mitarbeitenden, aus einer Umfrage oder sogar aus zweiter Hand von deinem eigenen Management, sollte deine allererste Reaktion sein: „Vielen Dank!“
Sei zunächst einmal dankbar dafür, dass du das Feedback bekommen hast. Wenn du es jedoch aus zweiter Hand erfährst, aus einer Umfrage oder von jemandem, der nicht dein Mitarbeitender ist, sollte deine zweite Reaktion lauten: „Wow, ich schaffe es wirklich nicht, dass sich meine Mitarbeitenden wohlfühlen, wenn sie mir Feedback geben. Daran müssen wir arbeiten.“ Deine dritte Reaktion: Du solltest dich bei deinem Mitarbeitenden dafür entschuldigen, dass er oder sie sich nicht sicher genug gefühlt hat und das Feedback einer anderen Person gesagt hat statt dir direkt.
Wenn Führungskräfte sich genau so verhalten, ändert sich plötzlich der Alltag in vielerlei Hinsicht.
Als Führungskraft sind es deine Kolleg:innen und Teammitglieder, die dir dabei helfen können, dich zu verbessern und über dich hinaus zu wachsen. Wenn du es schaffst, dass sie sich damit wohlfühlen, solche Dinge direkt an dich zu kommunizieren, wirst du wesentlich schneller persönlich wachsen. Das ist nicht nur gut für dich, sondern auch für dein Unternehmen. Alle werden von deinem besseren Selbst profitieren.
Genauso wichtig ist, dass Mitarbeitende sich damit wohlfühlen, offen und ehrlich in ihrem Unternehmen zu kommunizieren. Sie sollten keine Angst haben müssen, dass ihr Feedback gegen sie verwendet werden könnte. Sie fürchten, dass ihre Stimme, wenn sie sich kritisch äußern, selbst wenn es im besten Interesse des Unternehmens ist, gemieden wird und ihre Karrierechancen blockiert werden. Aufgrund dieser Angst und der aufgestauten Energie lässt ihre Leidenschaft nach, sie werden entmündigt und geben schließlich auf oder kündigen einfach.
Die Einführung eines neuen, offeneren Feedbackmodells ist eigentlich gar nicht so schwer. Es beginnt mit den obersten Führungskräften des Unternehmens: Sie müssen dieses neue normale Verhalten vorleben, damit es sich im gesamten Unternehmen durchsetzt. Führungskräfte müssen den anderen zeigen, dass alle Meinungen willkommen sind, und sie müssen dieses Feedback annehmen - auch wenn sie ihm nicht unbedingt zustimmen.
Mach deinen Mitarbeitenden klar, dass das Unternehmen als Ganzes möchte, dass sie das, was sie auf dem Herzen haben, demjenigen sagen, dem sie es am liebsten sagen würden. Baue ein System auf, mit dem Feedback konstruktiv und mit der Absicht, zu helfen, gegeben werden kann.
Vor allem aber musst du dich dafür einsetzen: Feier die Geschichten von Mitarbeitenden, die ihre Rückmeldungen an Führungskräfte weitergeben, und wie diese angenommen wurden und dem Unternehmen geholfen haben, Herausforderungen zu erkennen und zu bewältigen oder Lösungen und Verbesserungsmöglichkeiten zu finden. Hebe Führungskräfte hervor, die dankbar für das Feedback ihrer Teams sind. Bestrafe Mitarbeitende nicht, wenn du erfährst, dass etwas nicht funktioniert. Such stattdessen die Zusammenarbeit mit ihnen, um das Problem zu durchdenken und zu lösen.
Wenn du die Wahrheit von deinem Team willst, musst du ihnen erst einmal das Gefühl der Sicherheit geben. Andernfalls lebst du weiterhin in deiner eigenen Bubble, die du dir selbst geschaffen hast, und verpasst die Chance, mit diesem Feedback persönlich zu wachsen.
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